Aufregung bei den Staren

Junger Star mit aufgesperrtem Schnabel

Es brüteten mal wieder Stare im hohlen Apfelbaum, ein sehr unerfahren wirkendes Paar. Der Vater näherte sich der Höhle mit den laut bettelnden Jungen immer sehr vorsichtig, vorsichtig von Ast zu Ast hüpfend, als ob ihn die großen, aufgesperrten Schnäbel und das laute Geschrei seiner Kinder einschüchterten.

An einem warmen Sommernachmittag, viel zu warm für Gartenarbeit, mein Mann und ich lagen lesend in den Liegestühlen, war auf einmal lautes Geschrei und Geflatter an der Starenhöhle.

 

Ein junger Star, noch längst nicht flügge, sitzt unter dem Baum, ein Eichelhäher will ihn einfangen, einer der erwachsenen Stare flattert aufgeregt umher. Ich pfeffere sofort den Krimi ins Gras, eile zum Baum, greife mir auf dem Weg noch einen rumliegenden Handschuh - Unordnung ist manchmal nützlich. Der junge Star will sich auch von mir nicht einfangen lassen und flüchtet ins Kartoffelbeet. Für einen Vogel, der sein Nest noch nie verlassen hatte, ist er erstaunlich flink. Der Eichelhäher hoppelt ganz in der Nähe umher und versucht, den jungen Star noch zu erbeuten.

Der Eichelhäher hatte die Fütterung abgepasst, die einzige Situation, in der die jungen Stare nicht tief in ihrer Höhle sitzen, und einen der beiden Jungvögel hinausgezogen, ihn wohl nicht richtig erwischt, so daß er auf den Boden gefallen ist. Natürlich will er sich seine Beute nicht von mir abjagen lassen, sicherlich hat er auch ein Nest mit hungrigem Nachwuchs zu versorgen.

 

 

Star füttert sein Junges

Schließlich habe ich den jungen Star in der Hand, ein noch unvollständig befiedertes häßliches Vögelchen, dem ein vertrockneter Regenwurmrest am Schnabel klebt.

Er klammert sich an meinen Fingern fest und scheisst erstmal (gut, dass ich den Handschuh anhabe). Mein Mann rückt solange die große Obstleiter, die mal wieder niemand weggeräumt hatte, an den Baum, nimmt dann den Star, der auch ihm sofort auf die Hand scheisst (offensichtlich wird er von seinen Eltern gut gefüttert) und trägt ihn hoch vor die Höhle. Als er den Vogel vor das Loch hält, krabbelt der Kleine zum Glück selbständig hinein.

Die nächsten Tage waren für die Stareneltern sehr aufregend - und für uns auch. Die Eltern hatten gelernt, daß sie ihre Jungen schützen müssen, wußten aber nicht so recht wie. Die übliche Taktik, größere Gegner durch einen Sturzflug von oben anzugreifen, kannten sie nicht. Einmal baute sich das Weibchen direkt vor einer Krähe auf, und wurde sofort verscheucht. Ein anderes mal wurde eine Krähe, die nur im benachbarten Kirschbaum ernten wollte, von ihnen angegriffen.

Vor allem Eines hatten die Stare erkannt: hier sind Menschen, die junge Stare einfangen! Sehr gefährlich! Jedes Mal, wenn einer von uns in den Garten kam, flüchteten die Eltern unter lauten Warnrufen und stellten jede Fütterung ein. Ich war sehr erleichtert, als die Jungen endlich flügge waren und ich mich im Garten nicht mehr wie ein Störenfried fühlte.

Copyright © Ulrike Grossmann